Seid gegrüßt Gefährten!
Ich verfolge schon seit Jahren die Diskussionen rund um Rammstein in diesem Forum, habe allerdings selten Grund gefunden mich in die Debatten einzumischen. Dieses Wochenende allerdings hatte ich eine zweistündige Debatte mit einem Musikwissenschaftler über Rammstein, deren Inhalt ich hier kurz skizzieren möchte, weil mich die Meinung von euch dazu interessiert. Ich hoffe, dass dies differenziert und möglichst objektiv von statten geht. Dazu möchte ich auch meine eigene Meinung dazu zunächst nicht mit euch teilen, sondern die wichtigsten Punkte darstellen, die allerdings einige meiner Aussagen ebenfalls mit einbeziehen.
Der Ausgangspunkt war die Frage, ob Rammstein den Großteil ihres Erfolges der Tatsache schulden, dass sie sich nach wie vor seit Beginn ihrer Karriere bestimmter Mechanismen (bewusst oder unbewusst) bedienen, die die Menschen begeistern, ohne dass sie die Musik und Texte unbedingt mögen.
Eingegangen ist er dabei vor allem auf die Wirkung von Rammstein u.a. in den USA. Denn Rammstein bedienen dort gewisse Klischees, wie sich der Amerikaner den Deutschen vorstellt. Dazu gehört das Gesamtpaket der martialischen Inszenierung mit metallischem Bühnenbild, viel Feuer, der düsteren Outfits mit dunkler Schminke und bedrohlichem Auftritt.
Die Hypothese war dazu, dass der absolute Großteil der Konzertgänger dort nicht hingeht wegen der großartigen Musik (und Texte, die die meisten sowieso nicht verstehen), sondern einzig und allein wegen der Show.
Um eins vorwegzunehmen: Natürlich sind auf jedem Rammsteinkonzert solche absoluten Fans wie ich und ihr, die sich mit der Genialität der Texte und der Kompositionen auseinandergesetzt haben und auch auf Rammsteinkonzerte gehen würden, wenn die Show deutlich reduziert würde. Die Frage, die sich dieser Musikwissenschaftler gestellt hat, war aber: Würden Rammstein dann trotzdem so viele Menschen anziehen? Seine klare Antwort darauf war: Nein. Und er meinte nicht nur, dass ein paar 100 weniger kommen würden, sondern wirklich die Mehrheit ein Rammsteinkonzert dann nicht mehr interessieren würde.
Wir sind dann auch auf die Weiterentwicklung Rammsteins im Laufe der Jahre gekommen und ich erzählte ihm, wie sich die Musik stetig verändert hat, wie sie (ausser meiner Sicht) völlig andere Wege beschritten haben und sie grundsätzlich nur das tun, was ihnen auch gefällt und die Musik deshalb nicht mehr die Gleiche ist wie früher.
Er hat mich dann aber gefragt, ob sie trotzdem noch treibende Rhythmen und dazu die harten Gitarrenriffs mit tiefem, bedrohlichem Gesang benutzen würden. Ob die Live Inszenierung im Prinzip noch dieselbe sei wie früher nur größer. Er hat noch weitere Detailfragen gestellt, die ich alle bejahen musste.
Er hat weiterhin immer wieder betont, dass er sich mit Rammstein nicht auskenne und mir das glaubt, dass wenn man sich längere Zeit mit ihrer Musik beschäftigt man auch diese genialen Facetten erkennen würde (auch wenn man sie vielleicht trotzdem nicht mögen würde), aber er hat wieder die Frage in den Raum gestellt, warum sie diese Stilmittel nach so langer Zeit nach wie vor so prägnant in den Vordergrund stellen, wenn sie doch angeblich nur das machen, was ihnen wirklich persönlich gefälllt. Seine Schlußfolgerung war: Wenn sie so gute Musik und Texte schreiben, dann sind Rammstein auch so intelligent, dass sie wissen, dass wenn sie diese typischen Rammsteinschen Elemente völlig weglassen würden, die Leute auch ihre Musik nicht mehr mögen würden.
Und aus diesen Gründen benutzen Rammstein diese Mechanismen, die die Menschen sofort ansprechen nach wie vor ganz gezielt, um weiterhin erfolgreich zu sein. Denn sie wissen selbst, dass es anders nicht funktionieren würde. Andere Mechanismen würden sie widerum unter Umständen vielleicht tatsächlich unbewusst einsetzen, aber sie wären trotzdem nicht von der Hand zu weisen.
So, das war der grobe Inhalt des Gesprächs. Ich glaube, ich habe im Wesentlichen das Wichtigste aus dem Gedächtnis wieder zusammenfügen können, auch wenn ich zugebe, dass ich natürlich weder mich noch meinen Gesprächspartner hier absolut genau wiedergeben konnte. Auch habe ich das Ganze versucht in einer komprimierten und verständlichen Art und Weise niederzuschreiben. Denn in dieser Reihenfolge haben wir das nicht unbedingt besprochen und auch habe ich jetzt Aspekte weggelassen, wie z.B. Vergleiche mit den Beatles, Bach und Beethoven, die ich aufgebracht habe, die hier jetzt endgültig den Rahmen sprengen würden.
Ich habe versucht, wie ich schon am Anfang schrieb, das ganze möglichst neutral wiederzugeben, weil mich jetzt eure Meinung zu der Thematik interessiert und deshalb habe ich auch viele meiner Reaktionen auf die Aussagen dieses Musikwissenschaftlers, so wie meine eigene nachträliche Meinung zu diesem Gespräch zurückgestellt. Auch möchte ich euch bitten nicht in Details abzugleiten, wie meine Antworten auf bestimmte Fragen dieses Musikwissenschaftlers. Man könnte eine eigene Diskussion darüber beginnen, ob die Show von Rammstein nun wirklich einfach nur größer im Laufe der Zeit geworden ist oder ob die alten Stilmittel wirklich noch so prägnant im Vordergrund stehen. Mir geht es um die prinzipielle Beurteilung dieses Sachverhalts, der auch möglichst objektiv sein sollte. Natürlich bin ich auch nicht wirklich objektiv wenn es um Rammstein geht, aber lasst es uns versuchen.
Also: Bedienen sich Rammstein gewisser Mechanismen (bewusst oder unbewusst), wodurch ihr Erfolg vor allem auf ihre Wirkung und nicht auf ihre Musik zurückzuführen ist? Wenn ja, welche und sind sie bewusst oder unbewusst zum Einsatz gekommen? Ich kann noch dazu sagen, dass ich natürlich in eine verteidigende Stellung verfallen bin bei den Hypothesen, die aufgeworfen worden sind, die meiner Meinung nach auch zu einer ungerechten Diffamierung Rammsteins führen könnten...
Ich freue mich auf eure konstruktiven Beiträge,
Erik