OBJEKTIVE ANALYSE Nutzung Rammsteins von Mechanismen: Erfolg wegen Wirkung statt Musik

  • Seid gegrüßt Gefährten!


    Ich verfolge schon seit Jahren die Diskussionen rund um Rammstein in diesem Forum, habe allerdings selten Grund gefunden mich in die Debatten einzumischen. Dieses Wochenende allerdings hatte ich eine zweistündige Debatte mit einem Musikwissenschaftler über Rammstein, deren Inhalt ich hier kurz skizzieren möchte, weil mich die Meinung von euch dazu interessiert. Ich hoffe, dass dies differenziert und möglichst objektiv von statten geht. Dazu möchte ich auch meine eigene Meinung dazu zunächst nicht mit euch teilen, sondern die wichtigsten Punkte darstellen, die allerdings einige meiner Aussagen ebenfalls mit einbeziehen.


    Der Ausgangspunkt war die Frage, ob Rammstein den Großteil ihres Erfolges der Tatsache schulden, dass sie sich nach wie vor seit Beginn ihrer Karriere bestimmter Mechanismen (bewusst oder unbewusst) bedienen, die die Menschen begeistern, ohne dass sie die Musik und Texte unbedingt mögen.
    Eingegangen ist er dabei vor allem auf die Wirkung von Rammstein u.a. in den USA. Denn Rammstein bedienen dort gewisse Klischees, wie sich der Amerikaner den Deutschen vorstellt. Dazu gehört das Gesamtpaket der martialischen Inszenierung mit metallischem Bühnenbild, viel Feuer, der düsteren Outfits mit dunkler Schminke und bedrohlichem Auftritt.
    Die Hypothese war dazu, dass der absolute Großteil der Konzertgänger dort nicht hingeht wegen der großartigen Musik (und Texte, die die meisten sowieso nicht verstehen), sondern einzig und allein wegen der Show.


    Um eins vorwegzunehmen: Natürlich sind auf jedem Rammsteinkonzert solche absoluten Fans wie ich und ihr, die sich mit der Genialität der Texte und der Kompositionen auseinandergesetzt haben und auch auf Rammsteinkonzerte gehen würden, wenn die Show deutlich reduziert würde. Die Frage, die sich dieser Musikwissenschaftler gestellt hat, war aber: Würden Rammstein dann trotzdem so viele Menschen anziehen? Seine klare Antwort darauf war: Nein. Und er meinte nicht nur, dass ein paar 100 weniger kommen würden, sondern wirklich die Mehrheit ein Rammsteinkonzert dann nicht mehr interessieren würde.


    Wir sind dann auch auf die Weiterentwicklung Rammsteins im Laufe der Jahre gekommen und ich erzählte ihm, wie sich die Musik stetig verändert hat, wie sie (ausser meiner Sicht) völlig andere Wege beschritten haben und sie grundsätzlich nur das tun, was ihnen auch gefällt und die Musik deshalb nicht mehr die Gleiche ist wie früher.
    Er hat mich dann aber gefragt, ob sie trotzdem noch treibende Rhythmen und dazu die harten Gitarrenriffs mit tiefem, bedrohlichem Gesang benutzen würden. Ob die Live Inszenierung im Prinzip noch dieselbe sei wie früher nur größer. Er hat noch weitere Detailfragen gestellt, die ich alle bejahen musste.


    Er hat weiterhin immer wieder betont, dass er sich mit Rammstein nicht auskenne und mir das glaubt, dass wenn man sich längere Zeit mit ihrer Musik beschäftigt man auch diese genialen Facetten erkennen würde (auch wenn man sie vielleicht trotzdem nicht mögen würde), aber er hat wieder die Frage in den Raum gestellt, warum sie diese Stilmittel nach so langer Zeit nach wie vor so prägnant in den Vordergrund stellen, wenn sie doch angeblich nur das machen, was ihnen wirklich persönlich gefälllt. Seine Schlußfolgerung war: Wenn sie so gute Musik und Texte schreiben, dann sind Rammstein auch so intelligent, dass sie wissen, dass wenn sie diese typischen Rammsteinschen Elemente völlig weglassen würden, die Leute auch ihre Musik nicht mehr mögen würden.


    Und aus diesen Gründen benutzen Rammstein diese Mechanismen, die die Menschen sofort ansprechen nach wie vor ganz gezielt, um weiterhin erfolgreich zu sein. Denn sie wissen selbst, dass es anders nicht funktionieren würde. Andere Mechanismen würden sie widerum unter Umständen vielleicht tatsächlich unbewusst einsetzen, aber sie wären trotzdem nicht von der Hand zu weisen.



    So, das war der grobe Inhalt des Gesprächs. Ich glaube, ich habe im Wesentlichen das Wichtigste aus dem Gedächtnis wieder zusammenfügen können, auch wenn ich zugebe, dass ich natürlich weder mich noch meinen Gesprächspartner hier absolut genau wiedergeben konnte. Auch habe ich das Ganze versucht in einer komprimierten und verständlichen Art und Weise niederzuschreiben. Denn in dieser Reihenfolge haben wir das nicht unbedingt besprochen und auch habe ich jetzt Aspekte weggelassen, wie z.B. Vergleiche mit den Beatles, Bach und Beethoven, die ich aufgebracht habe, die hier jetzt endgültig den Rahmen sprengen würden.


    Ich habe versucht, wie ich schon am Anfang schrieb, das ganze möglichst neutral wiederzugeben, weil mich jetzt eure Meinung zu der Thematik interessiert und deshalb habe ich auch viele meiner Reaktionen auf die Aussagen dieses Musikwissenschaftlers, so wie meine eigene nachträliche Meinung zu diesem Gespräch zurückgestellt. Auch möchte ich euch bitten nicht in Details abzugleiten, wie meine Antworten auf bestimmte Fragen dieses Musikwissenschaftlers. Man könnte eine eigene Diskussion darüber beginnen, ob die Show von Rammstein nun wirklich einfach nur größer im Laufe der Zeit geworden ist oder ob die alten Stilmittel wirklich noch so prägnant im Vordergrund stehen. Mir geht es um die prinzipielle Beurteilung dieses Sachverhalts, der auch möglichst objektiv sein sollte. Natürlich bin ich auch nicht wirklich objektiv wenn es um Rammstein geht, aber lasst es uns versuchen.


    Also: Bedienen sich Rammstein gewisser Mechanismen (bewusst oder unbewusst), wodurch ihr Erfolg vor allem auf ihre Wirkung und nicht auf ihre Musik zurückzuführen ist? Wenn ja, welche und sind sie bewusst oder unbewusst zum Einsatz gekommen? Ich kann noch dazu sagen, dass ich natürlich in eine verteidigende Stellung verfallen bin bei den Hypothesen, die aufgeworfen worden sind, die meiner Meinung nach auch zu einer ungerechten Diffamierung Rammsteins führen könnten...


    Ich freue mich auf eure konstruktiven Beiträge,
    Erik

  • Noch ein sehr schönes Thema heute.


    Ich habe darüber auch schon einige Male nachgedacht. Für mich ist das alles mittlerweile ein riesiges Theaterstück, das ganze drumherum, die ganzen festgesetzten Mechanismen nur eine Rolle die von jedem einzelnen gespielt und von uns verfolgt wird. Rammstein wissen was erwartet wird und versuchen dem auch klar zu folgen, trotzdem können die dabei so sein wie sie sind. Weil sie das von Anfang an auch waren. Ich glaub die spielen einfach mit vollem Herzen und Leidenschaft ihre Musik und ihre "Rolle" und verfolgen gleichermaßen eine Art "Perfektion" da alles immer "Richtig" sein soll. Außerdem stammen sie alle aus dieser Punk Szene damals wo das Denken einfach anders war. "Von nix, kommt nix." Rammstein wollen was erreichen, Grenzen überschreiten, Grenzen hinterlassen. Was sagte Paul einmal ? Man sollte nicht in die Fußstapfen anderer treten, sondern eigene machen. Und das machen sie auch von Anfang an, ob bewusst oder unbewusst ist ne Sache für sich. Es wird viel gleichermaßen viel Wert aufs Detail, so wie auch aufs Gesamtpaket gelegt. Alles scheint durchdacht und geplant. Ich glaube es liegt auch stets ein unbeschreiblicher Druck auf sie, aber die wirken echt schlau.

  • Also grundsätzlich würde ich behaupten, dass nicht mit Gewissheit gesagt werden kann, dass Rammstein ihren Erfolg ausschließlich der Musik oder diesen Mechanismen verdanken. Darüber kann man diskutieren und spekulieren, aber ich würde weder das eine, noch das andere als alleinigen Grund ansehen.


    Ich denke Rammstein sind auch deshalb so erfolgreich, weil sie in mehreren Bereichen auftrumpfen und dadurch Publikum mit unterschiedlichen Interessen anziehen. Allein schon vom rein musikalischen Standpunkt her ist Rammstein für Fans aus der Metal Szene, der Industrial Szene und der Deutschrock Szene attraktiv. Dazu kommen Fans, die von den Texten, von den Tabubrüchen, von den Provokationen und/oder von der Live Show fasziniert sind. Diverse andere Faktoren werden auch eine Rolle spielen, so z.B. diese ich nenn sie mal "Brutal klingende Deutsch-Anziehung" auf manche internationale Fans (siehe Amerika) oder der "Boygroup-Faktor" auf (hauptsächlich) weibliche Fans. Auch werden Rammstein, dadurch dass sie gesellschaftlich nach wie vor oft als extrem angesehen werden, für eine Menge Jugendliche interessant sein, die damit eine Form der Rebellion gegen die elterlichen oder erwachsenen Normen ausleben können.


    Der "Live Show" Bereich zieht sicher sehr viele Fans an. "Rammstein muss man mal live gesehen haben" hört man ja recht oft. Ich kenne auch viele Menschen, die aus diesem Grund mindestens einmal auf ein Konzert gegangen sind und die Musik an sich sonst kaum oder garnicht hören. Allerdings glaube ich, dass Rammstein auch weiterhin erfolgreich wären, sofern sie auf die Show verzichten würden. Diese Live Fans würden dann zwar wegfallen, jedoch ist die Fanbase Rammsteins in den anderen Bereichen vermutlich immernoch sehr groß. Man denke beispielsweise an all die Süd- und Mittelamerikaner oder Russen. Dort gibt es soviele Fans und nur sehr selten sehr wenige Konzerte. Ein Großteil der Fangemeinschaft dort war vermutlich noch nie auf einem Konzert und wird es vermutlich auch nie auf eines schaffen (rein rechnerisch betrachtet). Dennoch wird die Band dort abgöttisch verehrt. Dies spricht doch eindeutig für die musikalischen Qualitäten Rammsteins.


    Meiner Meinung nach muss man bei der Frage aber auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit differenzieren. Heute ist das Phänomen Rammstein so populär, dass immer mehr Fans davon angesprochen werden und die Band vermutlich sogar noch Erfolg haben würde, wenn sie in rosa Tütüs auf der Alm rumhüpfen und jodeln würde. Inwiefern die Show und die angesprochenen Rammstein-typischen Mechanismen in der Vergangenheit für einen (Welt-)Erfolg verzichtbar gewesen wären, steht auf einem anderen Blatt. Man wird es nicht herausfinden. Rammstein gibt es nur als Gesamtpaket mit all ihren Facetten. Zu sagen, dass der Erfolg einzig und allein auf Musik oder düsteren Mechanismen beruhe, wäre zu einfach.


    Rammstein werden sich der Tatsache sicher bewusst sein, dass diese Mechanismen zu ihrem Erfolg beigetragen haben. Nur wüsste ich nicht, wieso dies zwangsweise im Widerspruch zu ihrem Spaß stehen sollte. Ich denke auch, dass die Jungs versuchen das Projekt Rammstein auf eine Weise zu führen, die ihnen möglichst viel Spaß macht. Letztendlich haben sie diese Mechanismen ja selbst erfunden, vermutlich eben weil sie Spaß daran hatten. Sofern sich ihre Interessen nicht grundlegend geändert haben, sollten sie also auch noch heute Freude daran haben können. Dass sie nicht festgefahren sind und auch gerne mit diesen Mechanismen experimentieren, hat man in der Vergangenheit öfter gesehen: In Videos (weg vom düsteren Auftreten, hin zur Selbstironie - Keine Lust, MgM, Benzin, Pussy, Mein Land), in Songs (generelle Entwicklung + weg vom typischen Rammstein Sound - Los, Te Quiero Puta, Ein Lied, MHB Piano Version), auf Konzerten (ulkige Outfits wie rosa Jacke/Lederhose/Glitzeranzug, Show-arme Performances wie auf der Nebenbühne der MIG Tour, Heino Parodie, Auftritt mit Heino) oder seit jeher bei öffentlichen TV-Auftritten und Interviews.

  • Ich stelle fest, dass bezogen auf dieses Thema ausnahmsweise ein Konsenz zwischen Rammsteinfans vorhanden ist. Ich sehe das genauso und habe ebenso wir vor allem du Asche-zu-Asche eine differenzierte und abwägende Haltung dazu. Man kann auf keinen Fall zu einem endgültigen Ergebnis gelangen, egal wie intelligent die analytischen Verfahren sind, die man angeblich benutzt hat. Denn ab einem gewissen Punkt scheitert hier (bei der Kunst) die Wissenschaft, was dieser Wissenschaftler sich offenbar nicht eingestehen wollte oder garnicht erkennen konnte, weil er durch jahrelanges Studium womöglich völlig verbildet ist (ja, ich glaube, dass das geht ;) ).


    Denn das Problem ist das Individuum. Man kann die Betrachter und Begutachter Rammsteins in Gruppen einteilen, wie die Hardcore-Fans, die Live-Fans, die Ablehner Rammsteins, die Interessenten (wie Musikwissenschaftler, die sie analysieren oder auch die, die sie nur ab und zu hören) und auch die Bandmitglieder selbst (wenn sie sich selbst reflektieren). Aber die Ansichten und Gefühle zu Rammstein der einzelnen Individuen dieser Gruppen haben die unterschiedlichsten Ursprünge, die garnicht zu erfassen sind. Wie kann man sich also anmaßen zu einem absoluten Ergebnis zu kommen, wenn es letztlich auf Emotionen basiert, die nicht zu verstehen sind, auch wenn einige womöglich rationale Einflüsse haben?


    Ich zum Beispiel könnte nicht glasklar formulieren, warum genau ich Rammstein in dieser extremen Form vergöttere und als unglaublich faszinierend empfinde. Das hat sich über einen langen Zeitraum entwickelt und meine Einstellung und Empfindung zu jedem einzelnen Lied der Band ändert sich noch immer fortlaufend. Es begann mit der Musik, aber irgendwann sah ich auf DVD die Musiker die Songs in anderem Rahmen inszenieren und hatte noch einen gefühlten, persönlicheren Zugang durch Interviews. Das hat wieder meine Sicht auf die Musik verändert. Hat es sich langsam hochgeschaukelt? Woher soll ich das so genau wissen?


    Und wie soll ich anhand dieser Vorraussetzung (die jeder Mensch hat) zu einem Ergebnis kommen, warum Rammstein als Ganzes etwas tut oder spezieller, warum z.B. Till Lindemann tut, was er tut? Denn er wird genauso wenig sein eigenes Werk und Handeln völlig durchdringen können ganz zu schweigen von den Unterschieden zu den anderen Bandmitgliedern.


    Mit all dem möchte ich nicht sagen, dass eine objektive Analyse völlig unmöglich ist. Aber man muss sich bewusst sein, dass jede Analyse immer nur auf eine Annäherung zur Wahrheit hinauslaufen kann. Man kann auf logischer Basis Zusammenhänge herstellen und damit argumentieren, so dass man zu einem Ergebnis kommt, aber man kann sich seiner nie völlig sicher sein.


    So, ich frage mich wie viele jetzt noch lesen. :D Ich weiß, dass das ein halber Ausflug in die Philosophie war, aber ich finde es sehr wichtig zu dieser Erkenntnis zu gelangen bevor man versucht mit einer mehr oder weniger objektiven Analyse zu beginnen. In dem Sinne ist auch alles, was ich jetzt zur eigentlichen Thematik schreibe (wie bei allen anderen) mit Vorsicht zu genießen.





    Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass es bei dem absoluten Großteil der Fans mit der Musik beginnt, die sie irgendwann hören und in einer Form begeistert. Ob es dann nur für ein paar Lieder ausreicht, die die Leute dann dazu bewegen zu einem Konzert zu gehen nachdem sie von der Show gehört haben oder (wie bei mir) zunächst nacheinander alle Alben angeschafft werden, mag verschieden sein. Aber es beginnt mit der Musik, wo ich auch sehr nah bei dir bin Asche-zu-Asche:

    Wenn ich diesen Gedanken weiterspinnen darf, dann gilt das ganze auch vor allem für Rammsteins Erfolg in den USA, der oft angeprangert wird, weil sie dort angeblich nur wegen ihrer Show und der Tatsache, dass sie Deutsche sind erfolgreich sind. Was passiert denn normalerweise, wenn eine Band oder ein Künstler 10 Jahre lang ein Land nicht mehr besucht? Man stelle sich vor man ist als Fan gerade 15 Jahre alt und heiß auf Rammstein, weil die Show so unglaublich sein soll und man auch endlich einmal so richtige Deutsche sehen will. Man wartet vielleicht 2-3 Jahre, wenn man geduldig ist 5. Aber nach zehn Jahren ist man 25 Jahre alt, die Band ist längst in Vergessenheit geraten und man interessiert und begeistert sich für andere Dinge.


    Nicht so bei Rammstein. Nun gut, das New York Konzert wurde lange angeworben, aber nach 10 jahrelanger Abstinenz ist ein solcher Ansturm trotzdem schon verwunderlich. Dies lässt sich nur auf die angesprochenen musikalischen Qualitäten Rammsteins zurückführen, die auch dazu führen, dass die Songs auswendig gelernt werden und viele sogar Deutsch lernen. Natürlich ist Rammstein speziell, was sie auch musikalisch für Ausländer interessant machen, die sonst nur englische Musik kennen. Ich habe mal einen guten Vergleich in einem Artikel gelesen, in dem es in etwa hieß:
    "Ein britischer Akzent gehört zu Punk, so wie deutscher Gesang zu Metal."
    Das mag verallgemeinernd sein, hat aber einen wahren Kern. Metal ist eine harte Musik und was passt dazu besser als eine harte Sprache? Natürlich ist dies völlig anders als lieblicher Gesang von Nena, aber man muss die Art der Intonierung auch der Musik anpassen.


    Kann man das Rammstein nun wirklich vorwerfen? Sie wollten diese Art der Musik von Anfang an machen und was können sie dafür, dass viele Leute genau das mögen? Ist das nun wirklich gezielte Ausnutzung von Mechanismen und Manipulation der Massen?
    Ich glaube man muss (u.a. bei Amerikanern) dann vorsichtig differenzieren zwischen denjenigen, die von Rammstein begeistert sind, weil sie für sie die harten Deutschen symbolisieren (die meiner Meinung nach in der aboluten Minderheit sind) und denjenigen, die einfach die Musik mögen. Dazu ist es auch wichtig zu wissen, dass Amerikaner nicht dasselbe kritische Bild von Deutschen haben, wie die Deutschen selbst. Wir sind so zum großen Teil erzogen und geprägt worden, alles was sehr deutsch ist, mit Argwohn zu betrachen und somit auch harten, deutschen Männergesang. Dies gilt nicht für die USA. Sie mögen vielleicht kein Wort deutsch verstehen, aber sie finden die Musik von Rammstein im Gesamtbild intuitiv gut, weil die sehr guten Kompositionen perfekt mit dem Gesang von Lindemann zusammenpassen.
    Was bei vielen (nicht bei allen) englischsprachigen Metal-Bands durch Geschrei und ähnliches erzwungen wirkt, ist bei Rammstein absolut natürlich. Das hört sich einfach gut an.


    Sie nutzen diesen Mechanismus also in gewisser Weise bewusst, haben aber auch garkeine andere Wahl, wenn sie nicht eine gänzlich andere Musikrichtung machen wollen. Einen ähnlichen Fall hatten wir vor 2 Jahren mit der Single Mein Land. In dem Making of zu dem Musikvideo hat Paul selber beschrieben, welche mitunter problematische Wirkung der Ausruf "Mein Land!" aus dem Mund eines Deutschen in dieser Härte hat, aber sie nehmen es in Kauf, weil sie sich sonst in ihrem künstlerischem Schaffen stets selbst behindern würden.


    Dies zieht nun eine Reihe von weiteren zwangsläufigen Folgen nach sich:
    Aus dieser harten Musik folgt harter Gesang. Aus dieser Härte (mir fällt keine bessere Beschreibung ausser hart/härter/am härtesten ein ;) ) resultiert ein harter, mitunter anstößiger Text (wobei die meisten, wie wir wissen garnicht so schlimm sind, das Problem ist der Kulturschock, den viele erleiden, wenn sie sonst nur Pop hören). Das Resulat aus all dem ist nun, dass man sich live nicht in Turnschuhen und Jeans auf die Bühne stellen kann und nach Songs wie Mein Teil ins Publikum ruft: "Hey Leute, wie geht's euch heute? Alles fit?" :vogel:
    Man gleitet also ab zu düstern, martialischen Outfits und damit auch zu einer opernhaften Inszenierung, die wir alle kennen, in der man nicht mehr viel direkt mit dem Publikum kommuniziert. Die dazugehörige Licht- und Feuershow tut noch ihr übriges und verstärkt den Eindruck.


    Das Einzige, was man Rammstein jetzt noch vorwerfen kann, ist die Tatsache, dass sie es bewusst zulassen, dass eine Gruppendynamik in der Band entsteht, die das Ganze noch immer weiter ins Superlative steigert. (u.a. eindeutig dem Interview mit Schneider dieses Jahr in Wacken zu entnehmen). Widerum ist es so, dass schon vor 15 Jahren (Sehnsucht-Tour) dieselben Mechanismen bei Fans ausgelöst wurden und die Kritiker dieselben Punkte an Rammstein ablehnten, obwohl die Show nur ein Bruchteil dessen war, was sie heute ist.


    Zum Schluß möchte ich noch kurz auf einen Punkt eingehen, den ich in meinem Eröffnungsbeitrag aufgebracht habe, in dem es darum ging, warum Rammstein aus musikalischer Sicht immer noch dieselben Stilmittel nutzen. Eigentlich fast ein Selbstgänger, aber trotzdem nochmal in aller Kürze: Sie wollten von Anfang an die Musik machen, die ihnen gefällt und das zieht wie bei fast allen Künstlern auch mit sich, dass trotz mitunter großer musikalischer Veränderung und Weiterentwicklung (Asche-zu-Asche hatte einige Songs angesprochen) diese gewissen Stilmittel geblieben sind. Noch dazu kommt, dass es für keines der Bandmitglieder das erste Mal war, dass sie Musik gemacht haben, das heißt sie haben schon eine mehr oder weniger große musikalische Laufbahn hinter sich gehabt, als Rammstein gegründet wurde. Außerdem sind auch bei den allgemein anerkannten, genialsten Musikern aller Zeiten Stilmittel zu finden, die über die Jahre bestand hatten. Man vergleiche dazu nur einmal Ludwig van's 5. mit seiner 9. Symphonie.





    Das waren nun die wichtigsten Tatsachen, die ich aus meiner Sicht erläutern wollte. Ich bin jetzt weniger auf unbewusst ausgelöste Mechanismen eingegangen, aber diese Liste könnte man unendlich weiterführen. Einige sehr richtige Faktoren hat noch Asche-zu-Asche genannt, die ich jetzt nicht noch einmal wiederholen muss, weil ich ihm voll zustimme.


    Abschließend möchte ich noch einmal daran erinnern, was ich zu Beginn geschrieben habe: All dies sind nur Hypothesen, die zwar auf logischen Schlußfolgerungen und Zusammenhängen basieren, aber nie ganz und vielleicht sogar garnicht zutreffend sind. Auch sage ich hiermit natürlich nicht aus (ich hoffe aber eigentlich, dass ich das schon vermitteln konnte), dass diese Randgruppen, die nur die Show sehen wollen, aus ideologischen Gründen oder noch anderen Beweggründen, nicht existieren.
    Ich glaube nur, dass die meisten Menschen Rammstein wegen ihres eigentlichem künstlerischen Werkes lieben: Ihrer Musik.


    Wer nun auch noch bisher hin durchgehalten hat und alles gelesen hat, dem möchte ich noch in aller Form danken. Denn dann war es nicht nur ein persönlicher Akt zum höheren Verständnis von Rammstein, sondern ich konnte meine Gedanken auch teilen.


    Bald folgt dann die Doktorarbeit :D

  • Auf die Gefahr hin das Thema etwas zu zerstören, weil ich dazu nichts mehr beizutragen habe nach euren Posts: Aber ich sehe das wie alle Vorposter und es ist schön mal solche Texte hier zu lesen :)

  • Dies lässt sich nur auf die angesprochenen musikalischen Qualitäten Rammsteins zurückführen, die auch dazu führen, dass die Songs auswendig gelernt werden und viele sogar Deutsch lernen.

    Lass die Kirche mal im Dorf. Das kommt bei mir so an, als würde das nur Rammstein-Fans tun. Frag mal herum, wie viele kleine Mädchen vor ungefähr zehn, fünfzehn Jahren damit angefangen haben, Finnisch zu lernen, als wieder mal eine Welle mit finnischen Bands, bestehend aus ach so süßen Jungs, nach Deuschland schwappte, und in Frankreich wurden Tokio Hotel-Songs für den dortigen Deutschunterricht unter die Lupe genommen. Vor knapp 30 Jahren war's übrigens Norwegisch, als A-ha hier bekannt wurden.


    Davon abgesehen lernen sehr viele nicht wirklich Deutsch als Fremdsprache; sie lernen, die Texte zu lesen und zu verstehen und um mitsingen zu können und nicht, um sich auf Deutsch irgendwo unterhalten zu können, von ein paar Phrasen abgesehen. Das ist sehr oft einfach nur ein Mittel zum Zweck und mit den Leuten zu vergleichen, die Spanisch und Französisch lernen, damit sie in irhen bevorzugten Urlaubsländern leichter die Speisekarte lesen und sich nach dem Weg erkundigen können. Mit wirklichem Interesse an der deutschen Sprache hat das nichts zu tun und hat sich meistens dann erledigt, sobald eine andere Band interessanter wird.

    Nur weil ihr alle vom Dach springt, werde ich nicht auch springen!

  • Da hast du natürlich grundsätzlich recht Milly, allerdings "kenne" ich auch einige Leute, die wirklich angefangen haben Deutsch zu lernen - wirklich richtig. Allerdings ist das wirklich nur ein kleiner Teil, aber er ist durchaus existent.

  • noDestiny und Plusatze: Erstmal möchte ich euch zwei danken, dass euch mein geistiger Erguss gefallen hat und ich stimme dir Plusatze voll zu, dass man jemanden auch positiv kritisieren kann und nicht immer nur etwas schreibt, wenn es nicht gefallen hat. Und noDestiny, solange hier nicht 20 Leute schreiben, wie toll sie es fanden, zerstörst du hier garnichts.


    Milly : Erst einmal magst du recht haben, dass ich bei einigen Punkten doch eher euphorisch als objektiv war.
    Abgesehen davon habe ich aber nie davon gesprochen, dass die ausländischen Fans Deutsch so weitgehend lernen, dass sie sich bestens in Deutschland zurechtfinden könnten. Mir ging es darum, dass der Klang der Sprache in Kombination mit der Musik offenbar sehr reizvoll zu sein scheint. Das führt dazu, dass man je weiter die Begeisterung steigt auch mitsingen können möchte. Das hat zunächst nichts mit einem Verständnis zu tun. Und ich glaube wie du, dass bei den meisten das höchste der Gefühle ist, dass die Texte nach einiger Zeit (einer nach dem anderen) verstanden werden.


    Aber auch hier möchte ich betonen, wie ich es auch in meinem ursprünglichen Beitrag getan habe, dass das alles immer spezielle Gruppen von Rammsteinfans sind und das niemals für alle gilt. Diejenigen, die dann wirklich richtig intensiv Deutsch lernen sind dann noch deutlich weniger, wie noDestiny schon beschrieben hat. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass es diese Gruppen auf jeden Fall gibt.


    In Bezug auf den Hype von Sprachen muss ich zugeben, dass ich von den finnischen und norwegischen Bewegungen nichts mitbekommen habe. Das mag auch daran liegen, dass ich vor 15 Jahren gerade 5 Jahre alt war...


    Ich finde es grundsätzlich sehr schwer bei dieser komplexen Thematik weitere Vergleiche zu wagen, aber lass uns ruhig kurz Rammstein mit Tokio Hotel vergleichen. Vorweg möchte ich sagen, dass das nun wirklich reine Spekulationen sind und ich mich unter Umständen auf sehr dünnem Eis bewege, also seht es weniger als meine Meinung und mehr als eine mögliche Vermutung.


    Bei diesem Vergleich muss man nämlich auch den Einfluss der Medien mit einbeziehen. (Und hier beginnen die Spekulationen, weil ich von dem Medienecho in Deutschland auf das Ausland interpoliere.) Bei Tokio Hotel herrschte ein sehr extremer aber auch kurzweiliger Hype. Sie waren sehr schnell im In- und Ausland bekannt und das ganze wurde durch die Medien auch immer weiter vorangetrieben, wodurch sie auch in Frankreich sehr früh Konzerte gegeben haben. Warum genau sie jetzt so erfolgreich geworden sind, wäre ein Thema für sich. Ich kenne mich mit ihnen nicht aus. Allerdings ist das Ganze auch schnell wieder zurückgegangen, so dass man schon seit Jahren nichts mehr mitbekommt. Die Frage ist: Hätten sie kurz nach dem Durchbruch Konzerte in Frankreich gespielt und dann 10 Jahre lang nicht mehr: Hätte es dann noch jemanden interessiert? Wohl kaum.


    Bei Rammstein herrschte von Seiten der Medien immer nur ein kurzer Aufschrei, wenn sie gerade wieder durch eine Neuerscheinung "provoziert" haben. Ihr unglaublich großer Erfolg und vor allem ihr künstlerisches Schaffen wurde immer nur in kurzen Beiträgen und seltenen Sendungen thematisiert (während Tokio Hotel von Anfang an ausgeschlachtet wurde). Ich mutmaße jetzt einfach, dass Rammstein von den ausländischen Medien keine deutlich größere Beachtung gefunden hat als in Deutschland im Gegensatz zu Tokio Hotel, wodurch sie auch im Deutschunterricht gehört wurden. (Das weiß ich aus Frankreich übrigens aus erster Hand).


    Trotzdem haben Rammstein nach so langer Abstinenz und ohne die sehr extreme Hilfe der Medien (natürlich haben die auch geholfen, aber vermutlich nicht so wie bei Tokio Hotel) noch viel größeren Erfolg verbuchen können als zuvor. Im Gegensatz zu den von dir genannten Beispielen ist Rammstein nämlich nicht nur eine kurze, schnell vergehende Modeerscheinung, die auf einmal alle gut finden und genauso schnell wieder vergessen.
    Und das hat nichts mit meiner eigenen Meinung zu Rammstein zu tun, sondern ist einfach nicht anders erklärbar, warum sie jetzt erfolgreicher sind in den USA als je zuvor: Sie müssen etwas an sich haben, was die Menschen wirklich langfristig begeistert. Woran das liegt? Meine Theorie dazu habe ich bereits in meinem letzten Beitrag genauer ausgeführt.

  • Hm, bei mir ist es der Grund, ich fühl mich wie Rammstein, ... also ich hör die Musik, wie ich mich fühle, wenn ich mich ausdrücken möchte, tut es eine Band für mich... dann fühl ich mich wohl, wenn ich diese Gefühle durch etwas großartiges mir gegenüberstehendes, etwas reals spühren kann...


    ich hör immer die Musik, wie ich mich fühle, Musik ist etwas, wie sich viele Menschen gerne ausdrücken möchten, und eine Band tut das eben...


    darum fühlt man sich auch wie die Musik, die Musiker machen... man fühlt sich so, als ob man die Musik selbst macht, als ob man die Band oder der Musiker selbst ist... oder man hat Sehnsucht nach Liebe... darum stehn sichs so viele Mädchen auf Hurts gerade... weils voll die melancholische Lovestory Musik ist irgendwo... ich find die Hurstmusik auch sehr Märchenhaft und magisch... eben diese 2 mystischen Prinzen, oben auf der Bühne... voll gutaussehend... singen mir das, was ich als Mädchen hörn will... dann will ich das nimmer hören... auch wenn die HurtsMusik wirklich sehr schön ist... bei denen funktionieren nur ein paar Lieder richtig gut bei mir... Miracle z.B.... das geht immer...




    viele können nicht ausflippen im Leben, wie sie es gerne wollten, Rammstein lässt uns das ein bisschen real werden... wie wir es gerne selber tun würden... es is voll geil bei Rammstein... einfach... man kann agressiv werden... man ist in einer Fantasiewelt... die aber real ist durch den Sound... alle sind aufeinmal gleich... du bist nicht mehr alleine unter "normalen" Menschen im Alltag, obwohl du vielleicht grade unter normalen Menschen gestört sein willst und alles rausschrein willst...aufeinmal kannst du gemeinsam mit 10000 Leuten krank und gestört sein... und keinen störts...


    Black Metal is ja auch voll die Scheiß Musik... aber viele findens geil... weils einfach krank ist...


    aufeinmal, hörn 10000 unterschiedliche Menschen, die sich vielleicht gegenseitig hassen, die gleiche Musik und haben was gemeinsam...


    hm. um nochwas hinzuzufügen,... ich stell mir so Musik oft als Schlachtfeld dar... früher gab es mehr Krieg und Gewalt, die es heute so kaum noch gibt und verboten ist... es ist einfach nicht erlaubt, unter der Allgemeinheit etwas verbotenes krankes zu tun, dann gehst du zu so nem Konzert wie Rammstein mit viel Feuer und megaliveSound dazu... son kranker Typ Namens Till Lindemann veransteltet ein krankes liveTheater und du fühlst dich so, als ob dein Unterbewusstsein sich auf die Bühne projeziert hat... und bei der Musik muss man die Texte nicht verstehn um zu verstehn, dass es krank ist... darum funktionieren deutsche Bands wie Rammstein auch gut in andren Ländern... anders sprachige Bands, wie Norwegische, oder Englische Metalbands oder andre Musiker, funktionieren im deutschsprachigen Raum ja auch total gut, obwohl wir am Anfang die Texte erstmal gar nicht verstehn

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