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Hier ist der Link vom evangelischen Pressedienst
Rammstein werden mit Landser und Noie Werte in einem Topf geworfen
Die Leute lernen´s niemals...
Hier der Text:
"Wie lächerlich diese ganze Ideologie ist"
Rechtsextremisten ködern Jugendliche mit Musik und germanischer Mythologie
Saarbrücken/Berlin (epd). Die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten ist in Deutschland im vergangenen Jahr um 27 Prozent gestiegen. Nach dem neuesten Verfassungsschutzbericht sind immer jüngere Täter dabei. Waren Anfang der neunziger Jahre aktive Rechtsextremisten zwischen 20 und 30 Jahren alt, schließen sich heute schon 13-Jährige den Neonazi-Skinheads an. Auch die rechtsextremen Parteien haben Jugendliche längst als Zielgruppe entdeckt. Über Musik und Mythologie versuchen sie Einfluss zu nehmen.
Wenn Carolin Hesidenz in Schulen nach Musikgruppen wie "Rammstein", "Böhse Onkelz", "Landser" und "Noie Werte" fragt, gehen fast alle Finger hoch. "Nur etwa zehn Prozent der Jugendlichen haben die Musik dieser Bands noch nie gehört", sagt die Studentin aus Saarbrücken. "Rechtes Gedankengut ist über die Musik längst bei den Jugendlichen angekommen." In vielen Schulklassen begegne ihr eine " gewisse rechtsradikale Einstellung", sagt Hesidenz, die regelmäßig als ehrenamtliche Mitarbeiterin des "Netzwerks für Demokratie und Courage" Schulen und Jugendeinrichtungen im Saarland besucht.
Für eine offenere und tolerantere Gesellschaft will sich die 22-jährige Studentin einsetzen. Bei den Projekttagen, die sie anbietet, begegnen ihr jedoch immer wieder versteckte oder auch offene Vorurteile gegenüber Minderheiten und Migranten. Außerdem die Bereitschaft zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und "das Bemühen, unter unsere NS-Vergangenheit endlich einen Schlussstrich zu ziehen".
In Rollenspielen und Diskussionen versucht die Studentin, den Schülern die Ursachen von Migration und die Lebenssituation von Flüchtlingen näher zu bringen. Sie redet mit den Jugendlichen über Autorität und Macht, Widerstand und Courage und klärt über die Ideologie des Rechtsextremismus auf.
"In der Öffentlichkeit wird immer nur über das Auftreten und die Straftaten der Rechtsextremen geredet, nicht aber über ihre Ideologie", kritisiert Matthias Adrian, der seit fünf Jahren für die Berliner Initiative "Exit" arbeitet. Der Verein bietet Aussteigern aus der rechtsradikalen Szene Hilfe an und klärt Jugendliche über Rechtsextremismus auf. "Erst wenn ich mit Schülern über die Inhalte spreche, sehen sie, wie lächerlich diese ganze Ideologie ist." Eine Erkenntnis, für die Adrian selbst länger gebraucht hat. Bis zum Jahr 2000 war er aktives Mitglied in der Jugendorganisation der NPD (siehe Interview).
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit habe sich die rechte Szene in die Jugendkultur eingeschlichen, hat der Koblenzer Sozialwissenschaftler Lutz Neitzert festgestellt. "Es ist eine Mischung aus Pop und Politik, die den Rechtsextremismus attraktiv und gefährlich macht", sagt er.
Seit 15 Jahren beobachtet Neitzert die rechte Szene und ihre Musik. Längst sei das öffentlich propagierte Bild vom Neonazi mit Springerstiefeln und Bomberjacke nur noch ein "rückgreifender Ausschnitt" der Realität auf Schulhöfen und in Jugendzentren. "Heute wird ein neues Image verfolgt, hin zum netten Nazi von nebenan."
Schon seit vielen Jahren setzten rechtsextreme Parteien wie die NPD gezielt auf Jugendarbeit, erläutert der Sozialwissenschaftler. Da aber unter vielen Jugendlichen eine "Parteienallergie" bestehe, organisiere sich die rechtsradikale Szene verstärkt in freien Kameradschaften. "Dieses Netz ist heute im Gegensatz zum Beginn der neunziger Jahre so dicht geknüpft, dass jeder Jugendliche von jetzt auf gleich mühelos Kontakt dazu aufnehmen kann."
Auf vielen Schulhöfen kursierten CDs mit rechtsradikaler Musik. Jugendliche würden gezielt auf rechtsextreme Konzerte oder zu Wehrsportübungen im Wald eingeladen. "Auch in an sich unpolitischen Jugendszenen wie der Dark-Wave-Bewegung machen sich braune Flecken breit."
Vor allem über die Musik werden laut Neitzert rechtsradikale Inhalte transportiert. Die Jugendkultur des "Dark Wave" pflege ein sich auf germanische Mythologien rückbesinnendes Heidentum, das mit der "Dominanz der arischen Rasse" und der Idee eines durch sie zu errichtenden "Reiches" verwoben werde. "Dieser Germanenkult ist auch für Mädchen attraktiv, weil er ihnen eine Rolle als ,weise Frau' zuweist, statt sie mit männlichem Machtgehabe abzuschrecken wie es viele rechtsradikale Kameradschaften tun", sagt Neitzert.
Die Szene des "neugermanischen Heidentums" wachse stetig und werde immer unübersichtlicher, sagt Matthias Pöhlmann von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. Seit sieben Jahren beschäftigt sich der Theologe mit der Dark-Wave-Bewegung und dem Neuheidentum. "Die Szene darf nicht unter Generalverdacht gestellt werden", sagt er. "Aber in bestimmten Richtungen sehen wir klar rassistische und antisemitische Tendenzen."
Als Beispiel nennt Pöhlmann die "Artgemeinschaft". Sie kämpft für die "Freiheit des germanischen Menschen", der ihrer Ansicht nach seit Jahrhunderten unter einer "orientalischen Bevormundung" steht. "Die Artgemeinschaft bezeichnet sich als unpolitisch, gratuliert aber der NPD zum Wahlerfolg in Sachsen", sagt Pöhlmann.
Sie veranstaltet Sonnwend- und Erntefeiern und sucht das Göttliche in der Natur. Über das Internet entstünden immer mehr kleine neugermanische Gruppen und Stammtische, die in der globalisierten Welt ihre Sehnsucht nach Heimat pflegten, so der Theologe. Viele begriffen sich als "neue Elite", die die Welt in Ethnien einteilten und eine Antihaltung zum Judentum einnähmen.
"Unbeobachtet von Politik und Öffentlichkeit ist das Thema ,Rasse' wieder aktuell geworden", sagt Neitzert. "Daher brauchen wir eine Debatte über rechtsextremistische Inhalte." Es sei längst an der Zeit, das Thema nicht nur an Projekttagen aufzugreifen, fordert der Sozialwissenschaftler. "Es muss in den Fachunterricht: In Biologie sollte über Rassenlehre, in Musik über Rechtsrock und in Geschichte über die Weltanschauung der Nazis gesprochen werden."