Irgendwie lässt es mich seit Tagen nicht los. Scheinbar muss
ich durch diese Zeilen meine Gedanken der vergangenen Tage seit Erscheinen des
Albums und insbesondere nach dem Besuch eines Konzerts hier verarbeiten. Ich
bin dankbar dafür, eine Karte für die Tour bekommen zu haben und freue mich
auch für jeden hier, der für zwei Stunden alles vergessen und für Lebzeiten von
zehren kann. Aber ich kann die Lobeshymnen der vorherigen Posts nicht in Gänze bestätigen.
Zur Einordnung des Ganzen muss ich auch ein paar Worte zum Album verlieren. Der
Reihe nach.
Ich finde es schlichtweg nicht fair, dass zuletzt
erschienene Album derart zügig zu bewerten und einzuordnen, da es sich mit
teils zwanzig Jahre alten Alben/ Songs messen muss. Der Eindruck nach
mehrmaligen Durchläufen ist definitiv positiv und ich möchte gar nicht weiter
auf einzelne Songs eingehen. Generell über den gar zwanghaften Drang, ständig
und überall Kunst einordnen zu müssen, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter
eingehen. Vielleicht sind auf dem Album keine Klassiker wie auf Sehnsucht oder
Mutter, dennoch hat es seine Banger und kann vor allem gut als Gesamtwerk
gehört werden. Mit ein paar Wochen Abstand setzen sich die Lieder aber mehr und
mehr auch nachhaltig im Kopf fest. Und darin liegt möglicherweise schon ein
Grund, weshalb die Konzerte der aktuellen Tour für meinen Geschmack bei weitem
nicht rund laufen: der Abstand zwischen erscheinen des Albums und dem Beginn
der Tour ist einfach zu knapp. Wurde wahrscheinlich auch nicht von Anfang an so
geplant und spielt für die Konzerte gegen Ende der Tour keine so große Rolle mehr,
ist aber nicht mehr zu ändern.
Dass dann vier von sechs Lieder zu Beginn der Tour bei
Tageslicht gespielt werden und dementsprechend anders wirken als Lieder der
Zugabe bei Dunkelheit kann meines Erachtens nach als Eingeständnis der Band
verstanden werden, selbst nicht hundertprozentig vom Album überzeugt zu sein.
Dazu noch verhältnismäßig lieblos unter normaler Lichtshow „abgearbeitet“. Einzige
Ausnahme bietet hier im weiteren Verlauf des ersten Teils des Konzerts „Puppe“
mit einer fantastisch umgesetzten Show zum Lied. „Was ich liebe“ leider ein
sehr lahmer Opener, wenn auch tatsächlich gut geeignet, um alle Instrumente der
Musiker nacheinander einzuführen und der schwarze Rauch zu Anfang ein
gelungener Schachzug der Band.
Und hier schließt sich dennoch der nächste, große Grund für die
an manchen Stellen fehlende Atmosphäre an: die im Hellen beginnende Show. Ich habe
hier schon einige Meinungen gelesen, denen das relativ egal war, aber nach
meinem Empfinden wirkt einfach alles im Dunkeln anders und Gelsenkirchen bot mit
der ziemlich geschlossenen Arena Ende Mai noch die mit beste Voraussetzung hinsichtlich
eines „Hallen-Feelings“. In Berlin kurz nach Mittsommernacht sehe ich da schwarz,
bzw. hell, denn da wird es doch höchstens zur Zugabe annehmbar dunkel.
Nachdem dann gefühlt Lieder und Helligkeit abgearbeitet
wurden, nahm dann das Konzert auch deutlich an Fahrt auf und die letzte
Dreiviertelstunde plus Zugabe war wirklich eine Freude. Ich will weiß Gott
nicht alles schlechtreden, aber ich finde schon, dass man die Tour auch mal
differenzierter betrachten kann. Ich werde auch kein Freund von
Stadionkonzerten. Musik gehört für mich in die Halle. Es ist zwar schön, dass
somit vielen Leuten ein Konzertbesuch ermöglicht wird, aber sorgt auch für eine
gewisse Distanz zur Band (gar nicht mal im tatsächlichen Sinne der metergenauen
Entfernung gemeint) und einer gewissen Kühle vom Publikum. Was mich stört, ist
dieses Fangehabe. Ich habe insbesondere bei Rammstein das Gefühl, jeder ist der
noch größere Fan und solch eine Grundstimmung überträgt sich auch zwei Blöcke
weiter auf die anderen Besucher. Auch möchte ich vielen Menschen zurufen, neben
Rammstein und anderen Rock- oder meinetwegen Metalbands mal andere Musik zu
hören und über den Tellerrand zu schauen. Dass sich dann hier an vielen Stellen
über „Eventis“ lustig gemacht wird, die keine Ahnung von den Texten hätten,
spricht Bände.
Kurz ein paar Worte zu vereinzelten Lieder und dem Ablauf generell:
Die ganze Zeit vor dem Konzert und als Vorband nur Rammstein zu spielen, ist
auch echt ein Overkill. „Deutschland“ funktioniert live erstaunlich schlecht,
auf Radio und Puppe haben sich glaube ich meiner Wahrnehmung zufolge die
meisten gefreut, was die neuen Songs betrifft. Zugabe dann wirklich stark. „Rammstein“
natürlich der Hammer und „Heirate mich“ zuvor auch eine sehr schöne
Überraschung. Auch hat sich die Band wirklich Mühe gegeben, dass auch Zuschauer
die Show von weiter hinten gut wahrnehmen können (z.B. Screen in der Mitte der
Bühne, die Tanzeinlage vor Deutschland, Kamera an Tills Kopf während Puppe).
Lediglich links und rechts außen hätte es ruhig auch Screens geben können,
hätte glaube ich nicht weiter dem Gesamtbild der imposanten Bühne geschadet). Die
Organisaton auf Schalke lief für meine Begriffe sehr gut und die Mitarbeiter
waren sehr freundlich und hilfsbereit.
Nicht falsch verstehen: es gibt nichts Größeres auf der
Bühne als Rammstein. Die Bühnenshow ist ohne Zweifel erhaben und kaum in Worte
zu fassen, sondern als Verbindung zwischen Publikum und Band zu spüren. Und diese
Verbindung habe ich aus einer Mischung meiner Gefühle samt des neuen Albums und
des Erlebens auf dem Konzert hiermit geschildert. Keine Ahnung, ob für jeden
hier nachvollziehbar, aber vielleicht kann der ein oder andere innerlich
zustimmen und fühlt ähnlich.
Nichtsdestotrotz eine Wahnsinns Show und an Bombast in jeder
Hinsicht nicht zu überbieten. Doch hätte ich es lieber, dieses große Ganze
demnächst wieder im kleineren Rahmen zu erleben.