"Wer schleicht so spät durch Nacht und Wind
Es sind Leute, die auf Leichen aus sind
Mit meinen Händen grab ich tief
Im Forum, das ich so vermisst
Und als ich fand das schönste Lied
Hab ich meinen Bildschirm geküsst"
Nicht ganz, so übertrieben ist es dann auch nicht.
Ach ja, Heirate mich... Der Name ist Programm. Das ist das Lied, was immer in meinem Hinterkopf spielt und mich ganz besonders in Ekstase versetzt. Warum? Leset und staunet.
Ich habe teilweise eine sehr komische Art und Weise, meine Favoriten festzulegen. Es gab nicht nur einen Charakter, der aufgrund seiner Stimme bzw. seines Sprechers sofort mein Liebling wurde. Bei Heirate mich ist diese Sache auch ein wenig schräg. Das Lied geht schon mal sehr spannend los - unheilvoll und bedrohlich. So klingt auch Tills Anfang, als er erzählt, was sich jede Nacht auf dem Ort der Ruhe abspielt. Danach knallt's und wir sind im Lied. Bisher war noch alles okay. Doch dann kam der Moment, als die erste Strophe beginnt - Tills tiefe Erzählerstimme gepaart mit einer episch dunklen Hintergrundmusik haben mein Schicksal endgültig besiegelt. Mit "Dort bei den Glocken schläft ein Stein, ich alleine kann ihn lesen" war das letzte Wort gesprochen. That's it. I'm sold. Heirate mich, Heirate mich, denn wir gehören zusammen, bis dass der Tod uns scheide! Bestimmt geht es euch auch so, dass jeder Song sich beim ersten Mal ganz anders anhört - viel besser. So war es in diesem Fall auch. Dieses Gefühl ist einfach unerreichbar.
Da habt ihr's, letzten Endes hat mir ein Satz auf Anhieb so gut gefallen, dass ich meinen neuen und dauerhaften Favoriten gefunden hatte. Dieses Lied hat einfach alles richtig gemacht. Die Musik ist leicht gruselig und geht im Refrain richtig ab. Der Text ist ein poetisches Meisterwerk, das kombiniert mit der erzählten Story tief unter die Haut geht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das Lied baut eine düstere und gleichzeitig auch romantische, schöne Atmosphäre auf, die sicher nicht leicht war. Das Lied ist in jedem Punkt genau mein Fall. So stelle ich mir ein Liebeslied vor. Okay, geben wir's zu, das Lied wurde extra für mich gemacht. Bonuspunkte gibt's dafür, dass der Arbeitstitel "Kinski" lautete - da gefällt es mir sogar noch mehr.
Die Story muss man sich auch erst mal geben. Wie tragisch ist das denn, dass jemand seinen Partner so sehr liebt, dass er auch nach dem Tod einfach nicht loslassen kann oder will? Persönlich habe ich übrigens nicht unbedingt rausgehört, dass er seine Frau noch so liebt, das wurde mir erst später richtig klar. Gibt für mich auch nur einen Satz, der das wirklich andeutet: "Die Nacht ist heiß und wir sind nackt". Wenn das nicht schön klingt!
Wir wissen also, dass sie seit einem Jahr tot ist und der Mann seitdem jede Nacht bei ihrem Stein verbringt. Das heißt, er hat von Anfang an ihren Prozess mitverfolgen können und ist trotzdem noch hörbar schockiert, wie sie in seinem Arm auseinanderfällt. Ehrlich, der Story hättest du keine größere Ehre machen können, wenn jemand anderes den Text geschrieben hätte. Nur Till kann dieses traurige und zugegebenermaßen eklige Thema so gut verarbeiten, dass extrem faszinierende Lyrics entstehen.
Es gibt allerdings auch einen noch tragischeren Punkt. Es könnte durchaus sein, dass der Erzähler selbst am Tod seiner Frau schuld ist. Es hat ja mal jemand den Zusammenhang zum biestigen Tier hergestellt - da ist auch die Rede von einer nicht korrekt abgelaufenen Hochzeit und davon, dass jemandem in der Nacht vergeben wird. Heißt, er wünscht sich immer noch, dass seine tote Frau ihn heiraten würde und er besucht sie ja jede Nacht. Bei dem kläglichen Rest, den man raushören kann, scheint die Frau gestorben zu sein - wahrscheinlich durch ihn. Tier. Respekt, wer das damals festgestellt hat! Ehrlich, ich ärgere mich darüber, dass nicht ich es war, da war ich mal wieder zu langsam. Aber gut, aus dem undeutlichen Geleier (nicht Tills Gesang, sondern die Aufnahme an sich) kannst du auch nicht viel verstehen.
Nichtsdestotrotz ist das meiner Meinung nach das beste Lied von Rammstein (und der Welt). Ich empfinde dabei etwas ganz Besonderes. Es ist mein Lied.
Meine abschließenden Worte kurz und knapp: Tod. Nacht. Dunkelheit. Wahre Liebe. Sex. Was will man denn mehr? Das ist Heirate mich.
(Und ich hoffe, dass mein Wink mit dem Zaunpfahl angekommen ist und ein gewisser Herr langsam mal in die Gänge kommt. Ist nämlich verdammt kalt hier, nur so im Kleid auf dem Friedhof...)