Original von Don_Philippe
Ich für meinen Teil bin nach dem ganzen Theater bestenfalls noch Gelegenheitshörer. Inakzeptabler Umgang mit Leuten, von denen sie nun mal leben, unfassbar tiefe persönliche Abgründe, die sich mir aufgetan haben und - am allerwichtigsten - gefällt mir nicht mal mehr die Musik. Mein Geschmack hat sich verändert (wobei mir die alten Alben zum Teil noch gut abgehen), Rammstein haben sich verändert.
Ich habe es lang und breit dort aufgeführt, wo es nicht wirklich hingehört. Nichts ist selbstverliebter, als sich zu zitieren, daher spare ich mir die Quote-Tags.
Weiterentwicklung? Degeneration trifft's eher. Was die Songstrukturen angeht, befinden wir uns hier bestenfalls auf "Sehnsucht"-Niveau.
Rammstein haben sich stetig weiterentwickelt. "Herzeleid" war nichts als ein stumpfer, monoton-repetetiver Urschrei. Aber es war auch etwas VÖLLIG neues, auch was deutschsprachige Lyrik in Songs anbelangt.
Von Herzeleid zu Sehnsucht gab's ausgefeiltere Elektro-Klänge und ein wahnsinnig schneidendes Gitarrenbrett, das damals (und eigentlich auch heute) seines Gleichen suchte.
"Mutter" (das dritte Album wird in musikjournalistischen Fachkreisen gerne als das kritischste bezeichnet) ist zwar etwas überproduziert, brachte aber weitere Evolution - echte Orchester, Chöre, Operngesang-Samples -, und ließ dennoch diese stumpfen, aber doch coolen Riffs, mit denen sich Rammstein nun mal mehr oder weniger ein Trademark gesetzt hatten, nicht vermissen.
"Reise, Reise" (das mir persönlich sehr gefällt) war schon ein kleiner Bruch. Tief gestimmte Gitarren gehörten in zeitgemäßer metal-artiger Musik nun mal zum guten Ton, also haben sich auch Rammstein dazu verführen lassen. Ein echter Schritt bestand darin, dass Schneider endlich richtiges Drumming erlernt bzw. eingesetzt hat. Zweieinhalb Alben lang gleichzeitig auf Bassdrum und Snare zu holzen ist sehr rhythmisch, (mir fallen keine Synonyme mehr für "stumpf", "monoton", "repetetiv" ein) und auch maßgeblich für den Rammstein-Sound, aber es war höchste Zeit, mehr zu bringen, und das wurde gut gelöst. Allein das Drumset wurde mit ziemlich viel Raumklang mikrofoniert, was dem Album einen Klang von Weite vermittelt und somit den Titel unterstreicht. Das Album hat zweifelsohne auch seine schwachen Songs, aber schon diese zwei Refrains in "Dalai Lama" machen echt was her. Selbst die ganz offensichtlich als Attention-Shocker eingesetzte erste Single "Mein Teil" war schön düster, diese kratzige Violine klingt einfach nur krank und überhaupt war es etwas neues, dass die Band ein Thema von öffentlichem Interesse aufgreift (was man von "Wiener Blut" nicht gerade sagen kann).
"Rosenrot" ist für mich kein ernstzunehmendes Album, da nicht eigens konzipiert und eine lieblose Aneinanderreihung von Lückenfüllern. Sie wurden alt und brauchten das Geld, sei's drum, Metallica haben sich auch wieder halbwegs aufgerappelt.
Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, bevor ich das neue Album nicht mindestens fünf mal gehört habe, aber was uns bisher geboten wird, zeugt - finde ich - nicht gerade von dem Potential, das ich Rammstein eigentlich zugetraut habe. Lasst eine semiprofessionelle Schülerband in ein sündhaft teures Studio und ihre lustlos zusammengezimmerten Powerchords klingen genauso fett wie "Pussy". Ja, cool, sie haben die Gitarren wieder hochgestimmt und der Sound an sich ist auch ganz fett, aber mal ehrlich, das einzige, was mich hier noch an Rammstein erinnert, ist Till Lindemanns Stimme. Niemand sagt, es sei einfach, sich als Band stetig weiterzuentwickeln, ohne an Originalität einzubüßen, im Gegenteil. Und was die Plumpheit von Thematik und Text angeht, könnte ich jetzt noch DevilsWing paraphrasieren, aber ich verweise lieber auf ihn.
Dass Rammstein seit jeher mit einer Prise Sarkasmus und Ironie zu genießen waren und sich gerne selbst auf die Schippe nehmen ist Bestandteil ihrer Identität, aber sich selbst so etwas von dermaßen zu albernen Suppenkaspern zu machen signalisiert, dass sie sich weder selbst noch ein bisschen ernst nehmen, noch von anderen ernst genommen werden wollen. Hauptsache Aufmerksamkeit, die sich in gut honorierten Plattenverkäufen und Konzertbesuchen niederhagelt. Und wahrscheinlich ist meine Meinung nur Öl in ihr Feuer. Mir ist's egal, von mir werden sie zukünftig wesentlich weniger Geld kriegen.
Meine zwei Cents.